Minhaj Kulturverein Österreich
Geschichtlicher Hintergrund
Der Kulturverein Minhaj-ul-Quran (der Weg des Korans) Österreich wurde am 06.07.2007 vereinsrechtlich registriert. Im Jahr 2010 erfolgte die Gründung des UL Quran Cultural Center, dessen Hauptanliegen die Verbreitung der Lehre von Minhaj-ul-Quran ist. Außer in Wien unterhält der Verein Organisationen in Linz und Graz, die beide eng mit Wien zusammenarbeiten.
Minhaj-ul-Quran ist eine in Pakistan registrierte Nichtregierungsorganisation (NGO),[1] die 1981 von dem Islamwissenschaftler und Rechtsgelehrten Dr. Muhammad Tahir-ul-Qadri, einem 1951 geborenen kanadisch-pakistanischen Staatsbürger,[2] ins Leben gerufen wurde und bis heute geleitet wird. Der Sitz der Organisation befindet sich im pakistanischen Lahore, Ableger gibt es in ca. 100 Ländern; die Zahl der Anhänger beläuft sich nach Angaben der Organisation auf rund zwei Millionen. 1989 gründete ul-Qadri in Pakistan auch eine politische Partei, die Pakistan Awami Tehreek (PAT; Volksbewegung Pakistans), die jedoch die letzten Wahlen (2013) boykottierte und folglich nicht im Parlament vertreten ist.[3]
Der Verein praktiziert die Tradition der Qadiriyya-Bewegung. Die Qadiriyya, ein mystischer Sufi-Orden, der auf den persischen Mystiker Abd al-Qadir al-Gilani (1077–1166) zurückgeht,[4] ist einer der ältesten und am weitesten verbreiteten Orden der islamischen Welt. Heute finden sich Anhänger in den arabischen Staaten, in China, Indien, Pakistan, der Türkei, den Balkanstaaten sowie in Ost- und Westafrika. Die Qadiriyya setzt auf die strenge Befolgung der Gesetze des Islams. Den für Sufi-Orden typischen Dhikr (Gottesgedenken) übt sie in seiner lauten Form aus; da es keine zentrale Führung gibt und jede Qadiriyya-Niederlassung ihre eigenen Interpretationen und Praktiken entwickelt, haben sich im Laufe der Jahrhunderte viele Unterzweige der Qadiriyya herausgebildet.
Ausrichtung
Minhaj-ul-Quran sieht sich dem Sufismus und der ständigen spirituellen Weiterentwicklung verpflichtet und predigt religiöse Mäßigung. Sie setzt sich nach eigenem Bekunden für Menschenrechte, Frauenrechte, Friedensförderung, die Bekämpfung von Extremismus und für den interreligiösen Dialog ein. Eine Fatwa des Gründers verurteilt Selbstmordanschläge und die Ermordung Unschuldiger,[5] Terroristen werden darin als Ungläubige und Feinde des Islams bezeichnet.
Ziel von Minhaj-ul-Quran ist die Einigung der Umma und die Verkündung des „wahren“ Islams. Muhammad Tahir ul-Qadri, der selbst Richter am pakistanischen Schariagericht war, glaubt an die sittliche und politische Überlegenheit der Gesetze des Islams (Scharia), ihm zufolge ist es der Islam, der Demokratie und Menschenrechte – die erklärten Ziele der Organisation – gewährleistet. Allerdings sind Versuche, die Demokratie mit den Schariabestimmungen zu vereinbaren, immer wieder an der Alltagswirklichkeit Pakistans gescheitert.
Minhaj-ul-Quran hat eine stark karitative Ausrichtung, die Stiftung Minhaj Welfare Foundation[6] kümmert sich um Bedürftige in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Bosnien und Herzegowina, Iran, Indien, der Republik Kosovo und Palästina und Gegenden wie Kaschmir, und realisierte in Pakistan ein flächendeckendes Bildungsprojekt, das eine Universität, 40 Fachhochschulen und 572 andere Schulen umfasst. Gegenwärtig arbeitet Minhaj-ul-Quran in Pakistan an einem Projekt für Waisenkinder, welches 500 Kindern Platz bieten und deren schulische und berufliche Ausbildung sicherstellen soll.[7]
Aktuelle Aktivitäten
Minhaj-ul-Quran Wien verfügt über einen Gebetsraum für 200 Männer und 70 Frauen, der ungeachtet dessen, dass der Verein dem sunnitischen, mystischen Islam in der Tradition der Qadiriyya folgt, auch von Muslim*innen ohne Sufi-Bezug frequentiert wird. Die meisten der rund 100 Mitglieder haben einen pakistanischen Familienhintergrund.
Laut eigenen Angaben verfügt der Verein über keinen qualifizierten Vollzeit-Imam, für Predigten stellen sich die drei Gründer der Wiener Niederlassung als Laienprediger ehrenamtlich zur Verfügung; zeitweise wird das Gebet auch von Gastpredigern aus anderen europäischen Minhaj-ul-Quran-Niederlassungen geleitet. Generell finden jeden Sonntag und Freitag Gottesdienste statt, wobei sonntags der sufische laute Dhikr (Gottesgedenken) und freitags das klassische muslimische Freitagsgebet ohne Sufi-Bezug praktiziert wird. An den jeweiligen Gottesdiensten nehmen durchschnittlich rund 50 Personen teil, darunter nur sehr wenige Frauen. Von den drei Predigern spricht laut Minhaj-ul-Quran nur einer gut Deutsch. Die Gottesdienste werden vorwiegend auf Urdu gehalten, allerdings ist geplant, Auszüge der Predigten in Zukunft ins Deutsche zu übersetzen und auf die Homepage des Vereins zu stellen.[8]
Einmal im Jahr, zum Geburtstag Mohammeds, organisiert Minhaj-ul-Quran die sogenannte "Milad-Konferenz" in Kombination mit dem historischen „Milad Peace March“. Zu dieser Festivität werden Persönlichkeiten aus der islamischen Community eingeladen.[9]
Im Einklang mit den Vorgaben der Zentrale in Lahore verfolgt der Verein folgende Hauptziele, die auch seine Grundlagen bilden:
- Da’wa und Missionierung für den wahren Islam;
- Wiederbelebung der Moral und Spiritualität der islamischen Gemeinschaft;
- Wiederbelebung der islamischen Wissenschaften;
- Renaissance des Islams.[10]
Zur Erreichung dieser Ziele bietet der Wiener Ableger der Dachorganisation folgende Aktivitäten bzw. Leistungen an:[11]
- Deutschkurse auf dem Niveau A1 zur besseren Integration;
- Eheschließungen nach islamischem Ritus;
- islamische Beerdigungen;
- die Gebetseinheiten des Tarāwīh während des Ramadan;
- wöchentlichen Religionsunterricht für Kinder und Erwachsene, Koranlesekurse für Kinder;
- eine Bibliothek mit Literatur zum Islam, mehrheitlich verfasst vom Gründer der Minhaj-ul-Quran, Muhammad Tahir ul-Qadri; der auch persönlich in Wien war.[12]
- jährliche Verlosung von Tickets für die Pilgerfahrt nach Mekka;
- Veranstaltungen, zu denen Angehörige anderer Religionen und offizielle Vertreter*innen der österreichischen Regierung eingeladen werden;
- Unterstützung bei der Geschäftsgründung und Behördenangelegenheiten.
Zusammenarbeit
Die Jugendorganisation der Minhaj-ul-Quran, die Minhaj Youth League (MYL) arbeitet mit Vereinen der IGGÖ zusammen.
Religiöse Verbindungen bestehen zu der in Pakistan ansässigen Minhaj-ul-Quran International (MQI).
Auf politischer Ebene bestehen Verbindungen zu der oben erwähnten Partei Pakistan Awami Tehreek (Volksbewegung Pakistans).
[1]https://www.minhaj.org/. Zugegriffen: 21.01.2021.
[2]https://minhaj.org/english/tid/8718/A-Profile-of-Shaykh-ul-Islam-Dr-Muhammad-Tahir-ul-Qadri.html. Zugegriffen: 12.12.2021.
[3]https://minhaj.org/english/tid/1799/Minhaj-ul-Quran-International.html. Zugegriffen: 22.01.2022.
[4] Mouloud, S. (2015). Die Qadiriya-Bruderschaft im geopolitischen Kontext der maghrebinischen Länder: Algerien, Marokko und Tunesien. Dissertation an der Uni Mainz. In: https://openscience.ub.uni-mainz.de/bitstream/20.500.12030/1957/1/100000222.pdf. Zugegriffen: 22.01.2022.
[5]http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/8544531.stm. Zugegriffen: 23.2.2022.
[6]https://minhajwelfare.org/. Zugegriffen: 22.01.2022.
[7] Ebd.
[8]https://www.minhaj.org/english/Austria/. Zugegriffen: 22.01.2022.
[9]https://www.minhaj.org/english/Overseas/tid/39480/Austria-Milad-Peace-Walk-Milad-Conference-MQI-Minhaj-ul-Quran-International-mawlid-un-nabi.html. Zugegriffen: 22.01.2022.
[10]https://minhaj.org/english/tid/1799/Minhaj-ul-Quran-International.html. Zugegriffen: 22.01.2022.
[11]https://www.minhaj.org/english/Overseas/tid/39480/Austria-Milad-Peace-Walk-Milad-Conference-MQI-Minhaj-ul-Quran-International-mawlid-un-nabi.html. Zugegriffen: 22.01.2022.
[12]https://www.youtube.com/watch?v=wX0RzGy_mAw. Zugegriffen: 21.01.2022.