AGD Avrupa Genclik Dernegi (Europäische Jugendvereinigung)

Avrupa Gençlik Derneği (europäische Jugendvereinigug) wurde im Jahr 2018 in Wien als Außenstelle der türkischen Anadolu Gençlik Derneği (AGD; dt. „Anatolische Jugendvereinigung“) und Millî Gençlik Vakfı (MGV; dt. „Nationale Jugendstiftung“)1  gegründet. Der Verein bekennt sich zur Weltanschauung von Millî Görüş und zur Führerschaft von Necmettin Erbakan. Nach Meinung des Vereinsvorstandes, Arif Şen,2  der ein Buch über ihn verfasst hat, ist Erbakan eine der größten Führungspersönlichkeiten der Türkei und der islamischen Welt.3
Den Grundsatz des Vereins beschrieb Salih Turhan, der Vorsitzende von AGD und MGV, anlässlich der Eröffnung der Wiener Außenstelle wie folgt: „Wir behandeln unsere Probleme nicht mithilfe der Definitionen der positivistischen Wissenschaften oder der modernen Philosophie; wir stützen uns auf Konzepte, die ihren Ursprung vom Herrn der Welten haben und auf Offenbarung beruhen.“ Darüber hinaus erinnerte Turhan die muslimische Jugend daran, dass eine ihrer wichtigsten Aufgaben die Missionierung (daʿwa) sei. An der Veranstaltung nahm neben anderen Persönlichkeiten auch der damalige türkische Konsul in Wien, Asip Kaya, teil.4

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Europaweit organisiert, vertritt die AGD eine islamistisch-antiwestliche Ideologie und warnt vor freundschaftlichen Beziehungen mit Christen und Juden.6 Dabei beruft sie sich – wie verschiedenen Aussagen zu entnehmen ist – stets auf die Ideologie von Erbakan,7  dem sie geradezu übermenschliche Fähigkeiten zuschreibt.8

Namensvermengungen
Die Ideologie der AGD und der Unterschied zu Islamischer Föderation (IF) und IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş in Europa)

Der Umstand, dass all diese Organisationen sich zu Millî Görüs bekennen, hat in der öffentlichen Wahrnehmung des Öfteren Verwechslungen zur Folge. Während zwischen IGMG und AGD bzw. MGV sowohl hinsichtlich ihrer theologischen als auch ihrer ideologischen Orientierung in der Tat Einigkeit besteht, ist ein wichtiger Unterschied darin zu sehen, dass AGD und MGV sich offen als Anhänger der türkischen Saadet-Partei deklarieren, wohingegen die IGMG und ein Teil der IF, zumindest in Österreich, sich vorsichtig von dieser Partei distanzieren.
Die Saadet-Partei, die ihre Zentrale in Köln hat, begann ab Mitte 2013, sich verstärkt in Europa zu organisieren.9 Demnach ist die Gründung der Außenstelle in Österreich auch auf das Bemühen der Saadet-Partei zurückzuführen, die angesichts des Erstarkens der AKP ihren Einfluss auf die Mitglieder der IGMG schwinden sah. So galt es, der Gefahr, nach der Gründung der AKP und dem Tod des charismatischen Führers Erbakan in Europa zu einer Kleinpartei mit geringer Gefolgschaft zu werden, mit aller Macht entgegenzuwirken.
Auch mit Blick auf die Islamische Föderation in Österreich ist davon auszugehen, dass deren Naheverhältnis zu AGD und MGV allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz10  noch lange bestehen bleibt, weil für sie die von Necmettin Erbakan begründete Weltanschauung ebenfalls nach wie vor eine zentrale Rolle spielt.11


Die Vorstände von MGV und IFW mit dem
Parteiobmann der Saadet-Partei in Wien.¹²


Die Gesamtleitung der Islamischen Föderation mit zum
Erbakan-Gruß erhobenen Armen bei einer Veranstaltung der
Saadet-Partei in Wien.¹³


Abdi Tasdögen, Mehmet Turhan und weitere Funktionäre
von Millî Görüs bei einer Veranstaltung der Saadet-Partei in Wien.¹⁴

Unterschiedlich gestaltet sich freilich der Umgang mit der Ideologie von Necmettin Erbakan in der europäischen Öffentlichkeit: Anders als die AGD üben sich IGMG und Islamische Föderation, was das Bekenntnis zur Ideologie von Erbakan angeht, in einer gewissen Zurückhaltung, schließlich würden sie sich sehr schwer tun, die ihr immanente Judenfeindlichkeit15  in der europäischen Öffentlichkeit zu begründen bzw. zu rechtfertigen.
So unterstellt die AGD der IGMG, das Vermächtnis von Erbakan verraten zu haben, die IGMG dagegen versucht, den schwierigen Spagat zwischen der Treue zu diesem Vermächtnis und der Rücksichtnahme auf europäische Wertvorstellungen zu leisten.16